Nicht aufgeben!

"Den Zuschlag erhält der junge Mann in der kurzen Hose" 

von Paul Harvey

Es ist schon erstaunlich, welche Dinge sich alle auf einer Polizei-Station ansammeln. Sie werden von der Polizei beschlagnahmt, und niemand fordert sie zurück. Oder sie wurden als Beweismittel konfisziert und dann freigegeben. Alle möglichen Gegenstande: Kameras und Lautsprecher, Fernseher und Werkzeuge und Werkzeugkisten und Autoradios. Und einmal im Jahr werden all diese Sachen, die niemand mehr zurückverlangt, bei einer Versteigerung verkauft. In diesem Jahr in Kansas City, Missouri, sind sehr viele Fahrräder dabei.


Als das erste Fahrrad präsentiert wird und der Auktionator um ein Angebot bittet, sagt ein Junge direkt vor ihm wie aus der Pistole geschossen: „Fünf Dollar." Er ist noch nicht alt, zehn, zwölf Jahre vielleicht. „Fünf wurden geboten, wer bietet zehn? Zehn, wer bietet fünfzehn?" Während weitere Gebote genannt werden, schaut der Auktionator nach dem Jungen. Keine Reaktion.


Als das nächste Fahrrad an der Reihe ist, bietet der Junge erneut fünf Dollar, geht aber nicht höher. Dies wiederholt sich bei allen Fahrrädern, die versteigert werden, der Junge bietet seine fünf Dollar, aber niemals mehr. Und fünf Dollar sind auch nicht annähernd genug, die Räder gehen stets für 35 Dollar oder 40 Dollar über den Tisch, für manche werden sogar mehr als 100 Dollar geboten.

 

In einer kurzen Pause fragt der Auktionator den Jungen, warum er bei einigen der guten Fahrräder nicht höher geboten habe. Der Kleine antwortet schlicht, er habe nicht mehr als fünf Dollar.


Die Versteigerung geht weiter, Kameras und CB-Funkgeräte kommen auf den Tisch und noch mehr Fahrräder. Bei jedem Rad gibt der Junge sein Fünf-Dollar-Gebot ab. Und jedes Mal gibt es jemanden, der höher bietet. Aber jetzt ist die Menge auf den Kleinen aufmerksam geworden, der jedes Mal das erste Gebot abgibt. Es scheint den Leuten zu dämmern, was hier vor sich geht.


Nach anderthalb Stunden, die sich zäh in die Länge ziehen, ist das Ende der Versteigerung ab-zusehen. Ein Fahrrad steht noch da, und dieses Rad ist ein Schmuckstück. Es sieht aus wie neu, der Lack blinkt, es hat eine Zehn-Gang-Schaltung und 27-Zoll-Räder, Doppelscheibenbremsen und Stecklichter.


Der Auktionator dröhnt: „Wer bietet zuerst?" Und der Junge in der ersten Reihe — der alles andere als aufgegeben hat — sagt mit ruhiger Stimme: „Fünf Dollar." Der Auktionator unterbricht seinen immer gleichen Singsang. Bleibt einfach still. Steht einfach nur da. Und auch die Menge bleibt still. Keine Hand hebt sich. Keiner gibt ein zweites Gebot ab. Bis der Auktionator ruft: „Den Zuschlag erhält der junge Mann in kurzer Hose und Turnschuhen — fünf Dollar zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten!" 

 

Das Publikum klatscht. Und das Gesicht des kleinen Jungen strahlt so sehr, während er die fünf Dollar aus seiner verschwitzten Faust gegen das schönste Fahrrad der Welt eintauscht, dass niemand der Anwesenden diesen Anblick jemals im Leben vergessen wird.


aus: Fenster der Hoffnung (Readers Digest)


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